Sein ältester Sohn Eberhard erzählt amüsante Episoden über seinen prominenten Vater sowie vom Leben der Familie v. Berg in Waldenbuch:
“In Waldenbuch und Umgebung war der Doktor als rasanter Rückwärtsfahrer bekannt, weil er bei Krankenbesuchen kleinere Straßen meist im Rückwärtsgang mit Vollgas verließ, da ihm dies schneller schien, als zu wenden. Als Dr. med. Dietrich v. Berg Anfang 1947 als zweiter Arzt nach Waldenbuch kam, wohnte er zunächst im Gasthaus Traube, wo er auch Sprechstunden abhielt. Krankenbesuche absolvierte er mit dem Fahrrad. Einmal fiel er dabei in den Mühlbach, ruinierte seine gesamte Ausrüstung und am schlimmsten: Seine Brille war weg! – damals ein herber Verlust.
Nachdem seine Familie von Aidlingen in die neue Wohnung in Waldenbuch, Böblinger Straße 7 (heute: Alfred-Ritter-Straße) gezogen war, verbesserte sich auch seine Mobilität durch einen ihm zur Berufsausübung zugeteilten Pkw, Marke Auto Union-Zweitakter mit Frontantrieb und Sperrholzkarosserie. Zu seinem Versorgungsgebiet gehörte damals neben Steinenbronn auch Schönaich. Den „Schönaicher Buckel“ konnte er mit seinem Pkw nur mit Anlauf oder im Rückwärtsgang überwinden.
Er war ein begeisterter Autofahrer, er bewältigte sein immenses Arbeitspensum zum Teil aus dem Auto heraus, wenn die Patienten ihn auf der Straße anhielten, um einen Rat oder ein neues Rezept zu erhalten. Sie standen häufig bis auf die Straße geduldig in der Schlange und wurden bis in die Nacht hinein behandelt.
Nach Wegfall der Interzonengrenze zwischen der amerikanischen Zone (Waldenbuch) und der französischen Zone (Dettenhausen) kam an Stelle von Schönaich Dettenhausen zum ärztlichen Versorgungsgebiet.
1947 wurden zunächst die Praxisräume des verstorbenen Arztes Dr. med. Wiese im Souterrain des Hauses Wiese (schräg gegenüber der Alten Post) übernommen. Anfang der fünfziger Jahre zogen Praxis und Familie in das Gebäude des ehemaligen Gasthof Sonne in die Vordere Seestraße 23 (heute: Senioren-Wohnanlage Sonnenhof). Die Praxisräume befanden sich im ersten Stock, die Wohnung in den beiden darüber liegenden Stockwerken. Auch die Kinder aus erster Ehe von Frau v. Berg – Ursula und Peter Schneider, die sich an anderen Orten zur Ausbildung befanden – kamen sehr häufig zu Besuch und waren stadtbekannt.
Als quasi siebtes Familienmitglied ist ein Waldenbucher Urgestein zu nennen: Pauline Fischer (s’Paile, geboren 1904), die fast von Beginn bis zu seinem Tod Hausangestellte, Rechnungsausträgerin und ungefragt einmal Autowäscherin war, die wegen angetrockneter Insekten Kotflügel und Scheibe des Autos mit Scheuermittel „matt“ reinigte. Sie verteidigte ihren verehrten Herrn Doktor, da auch sie dessen Überlastung spürte, oft vergeblich gegen jeden zusätzlichen Krankenbesuch.
Nicht vergessen werden darf auch Frau Ludmilla Soukup, eine Nachbarin, die immer bereit war auszuhelfen, unter anderem vier Wochen lang den kleinen Nikolaus wie eine Krankenschwester betreute und insbesondere sehr verwöhnte. Nikolaus‘ Eltern, in diplomatischer Mission in Bagdad, schickten ihn nach Waldenbuch, wo er medizinisch und mit spezieller Nahrung versorgt wurde (siehe Ursula Gräfin von Schlieffen: Briefe aus Bagdad, dtv premium, 2003. Anmerkung: Ursula war die Tochter von Friedel v. Berg aus erster Ehe)
Dr. v. Berg legte am Eberhard-Ludwig-Gymnasium in Stuttgart sein Abitur ab, studierte Medizin unter anderem in Wien und wurde in Kiel promoviert. Obwohl er ursprünglich Chirurg werden wollte, war er ein begeisterter Landarzt. Als Unfallarzt war er für einige Streckenabschnitte der B 27 zuständig. Seine große chirurgische Erfahrung, die er insbesondere als Lazarettarzt (Anmerkung: Begleitarzt FMA 6) ansammelte, kam ihm dabei zu Gute.
Dr. v. Berg galt als exzellenter Diagnostiker und wurde deshalb von seinen Kollegen an der Tübinger Universitätsklinik immer wieder zum Konsilium gebeten. Er baute die Ärztekammer Böblingen mit auf und war im Vorstand der Ärztekammer Nord-Württemberg für soziale Themen zuständig. Trotz der langen Arbeitstage ließ er sich nicht davon abhalten, seinen Schlaf durch Feiern mit Freunden und der Familie zu verkürzen und durch die stapelweise Lektüre von Büchern.
Ende 1969 erfolgte ein letzter Umzug in das neu gebaute Eigenheim (mit Praxisräumen) in der Schlossgarten-straße. Ohne vorherige Anzeichen – oder besser aufgrund der ständigen Arbeitsüberlastung – verstarb mein Vater unerwartet am 8. April 1970.
Haus und Praxis in der Schlossgartenstraße wurden von Dr. med. Schneider übernommen.
Aufgrund seiner Fürsorge und Kompetenz war er bei seinen Patienten sehr beliebt. Er hat als Geburtshelfer eine Vielzahl von Waldenbucher Bürgern auf die Welt gebracht, woran sich heute noch manch einer erinnert.”
Eberhard v. Berg († Februar 2015)
Verweis auf die Hördatei “Das Ächtele” im Gasthaus Waldhorn (Bachmann).
Hans-Dieter Bippus der mit seiner Frau Ute seit 1982 in Glenview, Queensland/Australien lebt, erzählt folgende nette Episode:
“Hier ist noch eine Anekdote aus der Kindheit meiner Frau Ute, geborene Kindermann.
Sie durfte häufig als kleines Mädchen mit Dr. v. Berg in seinem Auto mitfahren. Er holte sie oft Zuhause am Weilerberg 32 ab und sie fuhr mit ihm dann auf seiner Hausvisitentour und wartete dann immer geduldig im Auto bis er von den Hausbesuchen zurück kam. Meine Frau kam aus der damaligen Ostzone und sprach damals als kleines Mädchen noch, ungewöhnlich für Waldenbuch, schönstes Hochdeutsch. Das, und daß sie natürlich süß war und er auch kein eigenes Mädchen hatte, mußte es Dr. v. Berg wohl angetan haben um sich mit ihr zu beschäftigen und sie oft mitzunehmen. Meine Frau hat ihn als immer fröhlichen und freundlichen Mann in Erinnerung.”
Werner Böpple, ehemaliger Adlerwirt über die ärztliche Versorgung in Steinenbronn in den Nachkriegsjahren und Dr. v. Berg
In Steinenbronn gab es weder einen Arzt noch eine Apotheke. Aber wir hatten die sog. Gemeindeschwester Anna, die man bei kleineren Blessuren und Krankheiten holte. Sie hat einen Verband anlegen und eine Spritze geben können. Zudem kamen mehrere Ärzte, abends nach ihrer Sprechstunde nach Steinenbronn. So wie Dr. Kraft, aus Musberg, der im Gasthof Löwen seine Sprechstunde abhielt, Frauenarzt Dr. Wilhelm, aus Möhringen, der fuhr eine NSU Quick und betreute im Alter noch einzelne Patienten und natürlich Dr. v. Berg aus Waldenbuch mit seinem DKW, der bei uns im Gasthaus Adler seine Abendsprechstunde abhielt. Er war eine Ausnahmeerscheinung, der Tag und Nacht für seine Patienten bereitstand. Dienstags und donnerstags hielt er seine Sprechstunde ab. So gegen 20 Uhr kamen die Patienten und gingen durch die Wirtschaft ins Nebenzimmer zur Sprechstunde. Wenn er erst später z.B. gegen 22 Uhr kam, entschuldigte er sich. Einmal sagte er: „Ach, ich hab heit da noch a Kindle herdan müsse, das is so schee geschlupft.“ Wenn er kam grüßte er mit „guten Abend miteinander“ und „ein schönes Bier und 3 Schachteln Astor“. Das Bier musste eine hohe Schaumkrone haben. Er rauchte während er die Patienten behandelte, was er in Waldenbuch in seiner Praxis nicht tat. Die ärztliche Versorgung war in Steinenbronn für diese Zeit, abgesehen von Notfällen, optimal. Sonnst hätte man nach Waldenbuch fahren müssen was umständlich war. Man musste fragen wer dich fährt. Autos waren rar.