Spielmannszug der FFW Waldenbuch

ca. 1960, Spielmannszug Waldenbuch

Musikalisches Intermezzo mit ernstem Auftrag

Ein historischer Exkurs zum Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Waldenbuch

Wer kennt sie nicht, diese Musikgruppen, ohne die gerade im ländlichen Raum ein Umzug oder große Feste kaum denkbar wären? Tatsächlich haben viele dieser Gruppen eine ganz eigene Geschichte. So auch der Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Waldenbuch.

Ein Spielmannszug bezeichnet im engeren Sinn eine Musikgruppe, bestehend aus Marschtrommeln, klappenlosen Querflöten, Lyren, Fanfaren, Signalhörner, Großer Trommel und Becken. Hier eine kurze Hörprobe:

 

Er wurde früher vorwiegend in der Marschmusik und für Signale eingesetzt. In der Nachkriegszeit entwickelten sich diese Gruppen von ihrem militärischen Ursprung der Marschunterstützung hin zum konzertanten Musizieren. Mit den aufkommenden Turn- und anderen Festen und den damit verbundenen Umzügen zu verschiedenen Anlässen wurde die Spielmannsmusik zu einem festen Bestandteil dieser Feste (Wikipedia). In Waldenbuch war der Spielmannszug organisatorisch der Freiwilligen Feuerwehr zugeordnet.

Vier Hornisten als Feuermelder

2023, Stabführere Karl Bubser, 86 Jahre.
Foto: W. Härtel

Die Alarmierung der Feuerwehr erfolgte in Waldenbuch wie in vielen Gemeinden bis zum zweiten Weltkrieg über die Kirchenglocken. Bevor später Luftschutzsirenen  errichtet wurden  und die Feuerwehr damit alarmiert wurde, gab es einen anderen Weg.

Karl Ebinger, Feuerwehrkommandant von 1937-1950

Karl Bubser, ehemaliger Stabführer der Feuerwehr, berichtet, das vier Hornisten der Freiwilligen Feuerwehr für den Alarm zuständig waren: Karl Sturm, Otto Bubser, Karl Ottmüller und Heinrich Heim. Sie mussten aus allen Himmelsrichtungen „Feuer blasen“, um damit die Einsatzkräfte zum Feuerwehrhaus zu rufen. Der damalige Kommandant Karl Ebinger, dem ein Brand zunächst gemeldet wurde, fuhr sogleich mit seinem Fahrrad zu den Hornisten. Karl Bubser erinnert sich: „Er hat dann z.B. bei meinen Vater Otto Bubser, geschrien: ‚Blas raus es brennt!‘“

Hermann Seeger, ehemaliger Feuerwehrmann, erzählt: Die Hornisten hatten in der Wehr zunächst eine Meldefunktion und mussten dabei verschiedene Kommandos des Kommandanten blasen, wie z.B. für Alarm, Einsturzgefahr, Übung mit Helm, Übung mit Mütze kommen, Wasser halt oder Wasser marsch.

1952. Spielmannszug der Waldenbucher FFW anlässlich des Kreisfeuerwehrtag Dagersheim. Vorn mit Trompete: Heinrich Heim.

Eine weitere Aufgabe der Hornisten war das sogenannte Herausblasen zu Feuerwehrübung am Sonntagmorgen. Das funktionierte wie folgt: Einer der Blechbläser blies auf dem Ramsberg um 7.30 Uhr mit dem Signalhorn, einer beim Gasthaus Linde am Weilerberg, ein weiterer Hornist blies auf dem Wengertberg beim Haus Rist und schließlich gab einer in der oberen Echterdinger Straße den Signalton. Nach Absetzen des Signals gingen alle vier dann zu Fuß bis zum Feuerwehrgerätehaus, jeder wiederholte auf seinem Weg bis zu Zehnmal das Signal. Damit war sicher: „Verschlafen haben das nicht viele“, sagt Hermann Seeger. Die lautstarke Tradition wurde auf Geheiß des Rathauses schon vor 1960 aufgegeben. Die Bewohner Waldenbuchs fühlten sich durch den Lärm in ihrer sonntäglichen Morgenruhe gestört – und doch waren sie froh, wenn die Feuerwehr im Brandfall schnell und wohlorganisiert zum Einsatz ausrückte. Ab ca. 1965 erfolgte die Alarmierung der einzelnen Wehrmänner zentral über eine Weckerlinie, später lief der Einsatzruf über Funkmelder, die jeder Wehrmann besaß, um damit auch stille Alarmierungen zu ermöglichen.

Weiterentwicklung zur Musikgruppe

Mit diesen Exponaten in einer Vitrine hält die FFW Waldenbuch die Erinnerung an den Spielmannszug wach.                                                                                            Foto: W. Härtel

Karl Bubser war zunächst Mitglied im Musikverein Waldenbuch. Aufgrund häufiger Auseinandersetzungen auf Festen verließ er diesen, um sich 1952 der Waldenbucher Feuerwehr anzuschließen. Diese hatte gerade ihren Spielmannszug gegründet und er übernahm im Alter von 17 Jahren dessen Leitung. Die Startformation bildeten die vier Hornisten, zusammen mit Trommlern. Flötisten kamen zwei Jahre später hinzu. Diese komplettierten die Gruppe und die Beteiligten konnten in dieser Besetzung wirklich Musik machen.

In diesen ersten Jahren umfasst der Spielmannszug eine Truppe von ca. 15-20 Mitgliedern. Dabei waren u.a. Rolf Hans, Otto Bubser, Karl Sturm, Heinrich (Heiner) Heim, Karl Ottmüller, Willi Bubser, Otto Bubser jun., Heinrich Eng, Werner Raisch, Werner Bubser, Paul Schrade, Fritz Fuchs, Stefan Maier, Hans Geier und Hermann Bauer.

 

ca. 1960. Spielmannszug der Waldenbucher FFW vor dem Rathaus. Amlässlich Geburtstag von Karl Sturm (Stabshornist), Mitte rechts, links daneben Karl Bubser.

ca. 1950. Gastaus zur Linde

ca. 1960. Altes Schulhaus auf dem Marktplatz

 

 

 

 

 

 

Karl Bubser erinnert sich: ”Die Proben fanden im Nebenzimmer der Linde statt, später durften wir im Schulhaus am Marktplatz üben. Im Winter musste jeder ein Holzscheit mitbringen, um den alten Kanonenofen zu beheizen. Als erstes am Abend probte zunächst der Spielmannszug, danach kamen die Hornisten alleine dran. Die Proben fanden wochentags abends oder Sonntag morgens statt. Anschließend kehrten wir bei Wilhelm Seeger im Waldhorn ein.“ Der Musikverein sah die neue Musikgruppe als Konkurrenz, die ihnen die jungen Musiker abnehmen würde.

Karl Bubser berichtet weiter: „Als ich das erste Mal als Stabführer dirigiert habe, war ich 17 Jahre alt und Kommandant des Spielmannszugs. Wir waren beim Marschieren durch die Straßen teilweise dem Spott der Leute ausgeliefert. Einerseits waren wir zu laut und andererseits wurden wir mit Sprüchen wie „Da kommen die Hitlerbüble schon wieder” beschimpft – in Anlehnung an die vielen Aufmärsche von Jugendkapellen im Dritten Reich.“

1963, 600 Jahrfeier, links Gaststätte Bäckerei Waldhorn, Wilhelm Seeger

Als der Echterdinger Spielmannszug immer weniger Aktivitäten entwickelte, bescherte dies dem Waldenbucher Spielmannszug regen Zulauf. Nach und nach schlossen sich immer mehr Echterdinger Musiker den Waldenbuchern an. Schließlich bestand der Zug aus ebenso vielen Waldenbuchern wie Echterdingern, daraufhin wurde der Name in Waldenbuch-Echterdinger Spielmannszug umbenannt. Geprobt wurde im Wechsel in den beiden Städten. Anlässlich der 600 Jahrfeier der Stadt Waldenbuch hatte der Spielmannszug in der Nacht von Samstag auf Sonntag die Aufgabe, das Festzelt zu bewachen und musste mit historischer Tracht am Festzug teilnehmen. Im Laufe der Jahre erlosch die Begeisterung der Waldenbucher Feuerwehr für den Spielmannszug, u. a. aus Kostengründen. Schließlich wurde die Gruppe 1963 aufgelöst, zumal er mit ca. 25 Mann überwiegend nur noch nur aus Echterdingern bestand. Die Waldenbucher Musiker verblieben aber weiterhin als Aktive bei der Feuerwehr in Waldenbuch.

1976. Ehrung des Kommandanten Karl Bubser anläßlich des Jubiläums 25 Jahre Spielmannszug Echterdingen. Gegründet 1951.

2001. Stabführer Karl Bubser vom Spielmannszug Leinfelden-Echterdingen.

Karl Bubser wollte seine Leidenschaft zum Musizieren weiterleben, weshalb er sich dem Echterdinger Spielmannszug anschloss, zumal dort eine deutlich bessere Aus- und Weiterbildung der Musiker stattfand. Bis 2001 war er dort als Stabführer aktiv. Heute ist er vieldekorierter Ehrenstabführer des seit 1951 bestehenden Spielmanns- und Fanfarenzug der Freiwilligen Feuerwehr Leinfelden-Echterdingen. Seine Tochter Brigitte führt die Familientradition fort und ist dort als Zug- und Stabführerin in seine Fußstapfen getreten.

 

 

Wolfgang Härtel im Februar 2023

Dank an

Karl Bubser
Günter Heim
Hermann Seeger
Albert Kayser, FFW Waldenbuch
Dr. Uli Felger und Kerstin Härtel für das Redigieren des Berichts

 

Fotos


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