Die Geschichte der Jungviehweide Waldenbuch

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Luftbild von der Jungviehweide ca. 2014. Foto: GoogleEarth

Einleitung

Kinder kreischen, das Lagerfeuer qualmt und auf der Wiese bauen Erwachsene allerlei Zelte auf: Der Waldjugendzeltplatz Jungviehweide in Waldenbuch strahlt eine Abenteuerromantik aus, wie sie viele nur noch aus alten Filmen kennen. Gelegen am Nordrand des Schönbuchs, dem Betzenberg, liegt die Jungviehweide (JVW) ca. 1,5 km südöstlich von Waldenbuch oberhalb des Ortsteils Glashütte an einem leicht geneigten Nordhang in Richtung Aichtal.

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Skizze zur Lage der Jungviehweide, Stand 1991. Mit freundlicher Genehmigung Landratsamt Böblingen/Forsten

In der Region ist die Jungviehweide heute weit besser unter dem Namen „Ponderosa“ oder einfach nur „Ponde“ bekannt. Namensgeber ist die dort seit vielen Jahren in den Sommerferien veranstaltete Kinderfreizeit, die als feste Institution weit über Waldenbuch hinaus bekannt ist.
Für viele Jahrzehnte wurde diese Waldwiese  ursprünglich als Sommerweide für junge Rinder genutzt. Da über die Geschichte der JVW und ihre Ursprünge bisher wenig bekannt ist, hat sich der Autor bemüht, diese Lücke nun zu schließen.
Die Betrachtung folgt einer chronologischen Darstellung. Doch selbst nach gründlichen Recherchen in diversen Archiven sowie Befragungen verschiedener Zeitzeugen ergeben sich dennoch Lücken. Insoweit kann auf Vollständigkeit kein Anspruch erhoben werden.

1889. Jungviehweide Waldenbuch, Sommerstall mit Wohngebäude

1899. Jungviehweide Waldenbuch, Sommerstall mit Wohngebäude

 

Das 18. Jahrhundert: Stallhaltung versus Weidegang

Durch den intensiven Anbau von Klee als Sommer- sowie Winterfutter gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde damals die Stallfütterung als großer Fortschritt angesehen. Die Tiere konnten das ganze Jahr hindurch gleichmäßiger ernährt werden. Auf diese Weise fielen größere Mengen an Stalldünger an, der dem Ackerbau zugute kam. Durch die bessere und reichhaltigere Ernährung der Tiere durch Klee erhöhten sich sowohl das Durchschnittsgewicht der Zuchttiere als auch die Milchmengen der Kühe und damit insgesamt die Erträge aus der Viehhaltung. Steigende Preise für tierische Produkte führten zu einer gewissen Intensivierung der Rindviehhaltung.

Was dabei auf der Strecke blieb war das Bewusstsein welche nachhaltigen Schäden eine andauernde Stallhaltung für die Tiere und damit letztlich auch finanzielle Verluste für den Bauern mit sich brachte. Verlangt ein Landwirt höhere Leistungen von den Tieren müssen sie entsprechend leistungsfähig und vor allem gesund sein. Die Realität sah jedoch in vielen landwirtschaftlichen Betrieben dieser Zeit ganz anders aus:

• Oft waren die Stallungen zu niedrig, es fehlte an Licht und frischer Luft. Die durch die Zersetzung von Exkrementen verunreinigte Stall-Luft konnte sich wegen der fehlenden Ventilation nicht mit der Frischluft von außen austauschen.
• Die Tiere lebten das ganze Jahr über in unreiner, zu warmer, kohlensäurehaltiger Luft ohne ausreichende Bewegung.
• Die Tiere wiesen nach einer Weile gesundheitliche Schäden wie z.B. eine mangelhafte Entwicklung der Lunge, eine Empfänglichkeit für Krankheiten (TBC) und ganz allgemein einen Verlust ihrer gesunden Konstitution durch die einhergehende Verweichlichung auf.

Das Hauptübel bei der reinen Aufzucht im Stall ist bis heute der Mangel an regelmäßiger Bewegung. Nur durch sie kann das junge Tier den Gebrauch seiner Gliedmaßen erlernen und üben. Die beste Vorbereitung für einen späteren Zugdienst war deshalb nicht das Stehen im Stall, sondern der Weidegang. Besonders in Württemberg wurden Ende des 18. Jahrhunderts nicht nur Stiere als Zugtiere verwendet, sondern auch häufig Kühe zur Feldarbeit benutzt. Nach einer Viehzählung von 1873 wurden in Württemberg ca. 41 Prozent der Kühe zum Zug verwendet, während in ganz Deutschland der Wert damals bei durchschnittlich 18 Prozent lag. In diesem Zusammenhang hatte hier der Weidegang  weiblicher Tiere eine besondere Bedeutung.

Die Vorteile des Weidegangs lagen also auf der Hand. Der Aufenthalt während der Weidezeit von vier bis fünf Monaten in frischer reiner Luft förderte zudem den Stoffwechsel. Die Atmung wird tiefer, die Ausbildung der Lunge begünstigt. Das ganze Tier wird unter dem fortgesetzten Einfluss von Licht und reiner Luft gesünder, robuster und widerstandsfähiger. Für den bäuerlichen Betrieb und die Nutzung der Kühe als Zugtiere kam ein weiterer Aspekt zum Tragen: Klauen, Glieder und Rücken werden besser ausgebildet. Wirtschaftlich gesehen war die Weidegang-Aufzucht billiger und entlastete den Landwirt bei der Arbeit der Viehwartung und Pflege zur Erntezeit.

 

Ende des 19. Jahrhundert: Das Gelände wird erschlossen

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gewann die Zucht von Rindvieh in Württemberg immer mehr an Bedeutung. Besonders der Aufzucht junger Tiere wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

So beschäftigte sich auch der „Landwirtschaftliche Verein von den Fildern” in Hohenheim (im Folgenden Verein genannt) mit der Frage, ob die Errichtung einer Jungviehweide sinnvoll wäre, auf welcher das für die Zucht bestimmte Vieh (keine Milchkühe) über den Sommer Ernährung und Pflege finden könnte.

Um den Bedarf zu ermitteln, wurde auf der Grundlage einer Erhebung des Statistischen Landesamtes vom 1. Dezember 1897 zunächst der Viehbestand in den 26 beteiligten Gemeinden einzeln ausgewertet. Danach ergaben sich in 18 Gemeinden, die weniger Michwirtschaft betrieben, sondern vorwiegend auf Zucht spezialisiert waren, ein Gesamtbestand von 9.535 Stück Rindvieh, darunter 2.274 Stück Jungvieh. Zu den Gemeinden mit dem größten Jungviehbestand (Rinder ½ bis 2 Jahre alt) gehörten damals neben Echterdingen (297), Plieningen (224), Bernhausen (214), Möhringen (206) auch Waldenbuch mit 206 Jungtieren. Das Resümee: Selbst wenn sich die Milchwirtschaft weiter ausdehnen sollte, wäre immer ein Bedarf für artgerechte Aufzucht von tuberkulosefreien, gesunden, kräftigen Jungtieren vorhanden, die sonst in dumpfen, schlecht gelüfteten Ställen aufgezogen würden.

Auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück entschied man sich für das Gelände am Betzenberg, nur 1 km von der Glashütte entfernt.

1889. Plan der Jungviehweide Waldenbuch

1899. Plan der Jungviehweide Waldenbuch

Nicht zuletzt fiel die Entscheidung wegen der idealen Bodenbeschaffenheit (Keuper-, Mergel- und Lehm), die ein gutes kräftiges Futter garantierte.

Das Gelände von damals – insgesamt rd. 17,5 ha – gehörte mit 4,5 ha Wiesen der königlichen Finanzverwaltung, die das Grundstück als Pachtwiese dem Verein zur Verfügung stellte. Der Rest von rd. 13 ha verteilte sich auf 57 Einzelparzellen diverser Grundbesitzer aus Waldenbuch sowie der Glashütte. Der Verein erwarb 1899 diese rd. 13 ha Wiesen-Parzellen zum Kaufpreis von insgesamt etwa 17.000 Mark. Nach dem Grundstückskauf wurden alle notwendigen Maßnahmen vorangetrieben. Die Planungs- und Baukosten beliefen sich auf insgesamt rd. 15.844 Mark. Sie verteilten sich im Wesentlichen auf folgende Bereiche:

Stallbau und Wärterwohnung    8.010
Umzäunung                                     3.577
Drainage und Wasserleitung       1.865
Geräte, Futter und Streu               1.590
Sonstiges                                              802
GESAMT                                         15.844 Mark

 

Nach Abschluss der Erschließungsarbeiten bewertete der Verein die JVW wie folgt:

“Nach diesen Vorarbeiten hatte man es mit einer Fläche zu thun, welche nach allen Richtungen für Weidezwecke geeignet erschien, nemlich genügend abgedacht, nicht zu sonnig gelegen, genügend geschützt, in verhältnismäßig feuchtem Klima, nicht zu theuerer Boden durchweg gut berast, notorisch gute Qualität des Futters, genügend Wasser, dazu da und dort einzelne Bäume und kleine Gehölze, welche Schutz und Schatten bieten, endlich eine an das Allgäu erinnernde landschaftlich schöne Lage. Die Zugänglichkeit ist von 3 Seiten ohne besonderen Aufwand gesichert.“

Dieses Zitat und die anschließenden Ausführungen in diesem Kapitel stammen überwiegend aus der Veröffentlichung von Dr. hc. Ernst Valentin von Strebel: Die Jungviehweide Waldenbuch, Plieningen 1899.

 

1889. Grundriss und Querschnitt des Gebäudes (Stall und Wohntrakt) auf der Jungviehweide Waldenbuch)

1899. Grundriss und Querschnitt des Gebäudes (Stall und Wohntrakt) auf der Jungviehweide Waldenbuch. Für eine größere Darstellung bitte auf die Grafik klicken.

 

Im nächsten Schritt ging es daran, die Planungen von Werkmeister Wörner, Hohenheim, in die Tat umzusetzen. Der Stall wurde zweckentsprechend als Sommerstall gebaut: einfach, billig und doch hinreichend solide. Man orientierte sich dabei an bestehenden Stallungen anderer Jungviehweiden. Es entstand ein auf einem Sandsteinsockel (kam aus einem im Schönbuch liegenden Sandsteinbruch) ruhender Fachwerkbau, der ohne Außenmauern nur mit Latten und Brettern abgedeckt war. Die auf den Sockel gelegten Schwellen aus Eichenholz wurden im umliegenden Wald geschlagen. Das Dach war mit Falzziegeln gedeckt. Nur in die angrenzende Wärterwohnung auf der Westseite wurden Riegelwände eingezogen. Die Wohnung für den Viehwärter und seinem Gehilfen bestand aus Stube, Küche, einem kleinen Keller und einer Dachbodenkammer, die als Schlafzimmer diente.

Der neu errichtete Stall sollte für 80 Stück Jungvieh reichen (29,5 x 7,7 Meter). Auf der Südseite gab es zwei Tore und den Laden (Dachluke) für den Heuboden. Auf der Ostseite wurde ein Abort für Menschen angebaut und in der Verlängerung des Gebäudes mit einem Abstand von 6 Metern ein Schuppen zur Lagerung von Torfstreu errichtet. Die Weidefläche wurde in sechs Koppeln mit fünf Abteilungszäunen aufgeteilt. Die fertiggestellten Zaunpartien wurden sofort mit dem heute verbotenen Holzschutzmittel Karbolineum gestrichen. Dabei machte man eine böse Erfahrung: Die Menschen, die damit beschäftigt waren, bekamen Schwellungen des Gesichtes und besonders der Augen. Zudem bemerkte man zwei Tage nach dem Auftrieb, dass die meisten Tiere entzündete Mäuler bekamen, weil sie das unter den gestrichenen Pfosten wachsende Gras mit besonderer Vorliebe fraßen. Die Entzündungen gingen aber nach einigen Tagen zurück.

Friedrich-Burkhardt

Ökonom Friedrich Burkhardt

Für den Betrieb der JVW wählte der Verein eine „Weide Kommission“, bestehend aus den Ökonomen W. Bayha (Echterdingen) und Friedrich Burkhardt (Waldenbuch). Diese legte u.a. die Bedingungen für die Aufnahme von Tieren fest, welche im „Filder-Bote“ vom 13. März 1899 veröffentlicht wurden. Hier eine Kostprobe als Zitat aus dem Text:

  • „50-60 Stück Jungvieh können in der Zeit vom ca. 20. Mai bis Ende September zum Weidegang gehalten werden. Die Anmeldefrist endet am 15. April.

Berechtigt zur Beschickung der Weide sind die Mitglieder des Vereins. Das Weidegeld beträgt zwischen 30 und 40 Mark. Für Tiere aus anderen Bezirken erhöht sich das Weidegeld um 10 Mark.

  • Beim Auftrieb werden die Tiere gewogen.
  • Die Tiere werden versichert und tierärztlich behandelt.
  • Für die Rinder steht ein guter Sprungfarren (ein geschlechtsreifes männliches Hausrind) auf der Weide zur freien Verfügung.“

In kurzer Zeit wurden 74 Rinder angemeldet. Eine erstaunlich hohe Anzahl, da dem Projekt viele Bauern aufgrund der neuen Tierhaltungsphilosophie mit mancherlei Vorurteilen und Skepsis entgegentraten. Für das Projekt sprach jedoch, dass die Tiere mindestens vier Monate gepflegt, mit reichlich Futter versorgt und artgerecht gehalten wurden zu einen Preis zwischen 24 und 28 Pfennig/Tag je nach Gewicht des Jungtiers. Zu diesem niedrigen Preis konnte kaum ein Landwirt seine Tiere selber halten, was zum Gelingen dieses Outsourcing-Projektes im Anfangsstadium beitrug.

Bei einer Vorbesichtigung der angemeldeten Tiere wurden nur zwei wegen ihres geringen Alters zurückgewiesen. Leider konnten auch die Tiere aus Möhringen nicht berücksichtigt werden, da dort zwischenzeitlich die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen war. Schließlich fand am 23. Mai 1899 der erste Viehauftrieb auf die JVW mit insgesamt 57 Tieren statt. Darunter befanden sich sechs Farren, einer davon vom Landwirtschaftlichen Institut Hohenheim, der zur Deckung der Rinder dienen sollte. Jedes Tier erhielt einen Halsriemen mit einer massiven Messing-Nummer. Anschließend wurden die Tiere gewogen, gemessen und registriert. Weitere Wägungen und Messungen erfolgten dann monatlich.

Da für 70 Tiere genug Weide vorhanden war, wurden Mitte Juni 1899 noch weitere 13 Tiere aufgenommen. Für jedes Rind im Alter von acht bis 18 Monaten bei einem Durchschnittsgewicht von 296 kg standen an Weidefläche insgesamt rd. 21 ar oder einschließlich der Wiesenfläche rd. 25 ar zur Verfügung.

Schließlich wurden von der Weide-Kommission ein Viehwärter sowie ein Gehilfe angestellt. Was diese zu tun und zu lassen hatten war in einem „Wärter-Vertrag“ dezidiert geregelt. Hier einige Beispiele aus dem Vertrag:

  • Der Viehwärter hat mit seinem Gehilfen die Tiere, so lange sie im Stall stehen, täglich einmal zu putzen, die Streu in Ordnung zu halten, die Fladen und nassen Streu auf die Miststätte zu bringen.
  • Alle Tiere im Stall erhalten morgens Trockenfutter (Heu), die jüngeren Tiere zusätzlich Kraftfutter.
  • Farren und Rinder sind auf den Koppeln weit voneinander zu halten
  • Im Hochsommer soll das Vieh über die heiße Mittagszeit im Stall bleiben und hauptsächlich morgens und abends weiden.
  • Das Vieh ist ruhig und freundlich zu behandeln, besonders in den ersten Wochen muss einer der Hirten beim Vieh auf der Weide sein.
  • Dem Hirten wird das Vieh- und Wägeregister sowie das Inventarverzeichnis übergeben. Alle Unterlagen mussten laufend geführt werden und wurden regelmäßig durch den Verein geprüft.
  • Der Viehwärter hat die Weiden in Ordnung zu halten, d.h. Gestrüpp zu entfernen, Fladen zu verteilen, den Wasserablauf in Ordnung zu halten, sämtliche Reparaturen durchzuführen.
  • Der Wärter hat mit seinem Gehilfen in der Heu- und Öhmd Ernte bei allen Arbeiten – ohne besondere Vergütung – fleißig mitzuhelfen.
  • Dem Viehwärter wird eine Wohnung gestellt mit Tisch, Stühlen und Schrank. Für Bett und seine Unterhaltung hat er und sein Gehilfe selbst zu sorgen. In der Küche wird ein kleiner Herd mit dem nötigsten Geschirr aufgestellt. Für seine Verköstigung sowie die des Gehilfen hat der Wärter selbst zu sorgen
  • Der Wärter und sein Gehilfe müssen auch bei Nacht am Platz sein. Urlaub erteilt auf Ansuchen Herr Friedrich Burkhardt (Mitglied der Weide Kommission)
  • Als Vergütung erhält der Wärter:
    • Freie Wohnung für sich und den von ihm anzustellenden und vollständig zu verköstigenden Gehilfen, der nicht unter 14 Jahren alt sein darf.
    • Freies Holz und Licht.
    • Einen baren Geld Lohn von täglich 4 Mark*), in welchem die Bezahlung des Gehilfen inbegriffen ist. Bei befriedigender Leistung wird dem Wärter eine Prämie von 25 Mark in Aussicht gestellt.
    • Trinkgelder der Viehbesitzer dürfen angenommen, aber nicht gefordert werden.
    • Dem Vieh-Wärter ist gestattet kostenlos eine Kuh oder ein Rind auf der Weide zu ernähren. Kraftfutter des Vereins darf jedoch nicht verwendet werden.
    • Außerdem hat der Wärter eine Kaution von 300 Mark zu stellen
    • Die Kündigungsfrist beträgt 14 Tage.

*) Das klingt zunächst wenig, doch es war in dieser Zeit eine gute Bezahlung. So entsprach 4 Mark/Tag um 1900 einem Monatslohn von ca. 120 Mark, was damals ein guter Verdienst war, und dem Monatslohn eines Chemiearbeiters entsprach. 1 kg Kaffee kostete damals ca. 4 Mark und ein Kilo Schweinefleisch ca. 1 Mark, 50 Pfennig.

Wirtschaftlich rechnete sich die JVW Waldenbuch wie fast alle Weiden in Württemberg zunächst nicht, da die Höhe der Einnahmen aus den Weidegeldern in den ersten Betriebsjahren bewußt niedrig gehalten wurden um die Weidehaltung attraktiv zu machen. So ergab das Ergebnis der Jahresrechnung der JVW Waldenbuch für 1907 bei Einnahmen von 2.400 Mark und Ausgaben von 3.476 Mark ein Defizit von 1.076 Mark, das aber durch Zuschüsse (Staatsbeiträge) ausgeglichen wurde.

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Ansichtskarte aus 1904 mit Bild von der Jungviehweise oben rechts. Für eine größere Darstellung auf das Bild klicken.

 

Über die Entwicklung der Jungviehweide in den ersten turbulenten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts bis 1935 ist leider wenig dokumentiert. Auch existieren scheinbar keine Überlieferungen von Zeitzeugen. Das Eigentum an der JVW ging in dieser Zeit vom Verein an den “Landesverband Württ. Rinderzüchter e.V., Stuttgart” über, der nun auch die Verwaltung übernahm.

 

1935 bis 1945: Die Vorkriegs- und Kriegsjahre auf der Jungviehweide

ca. 1940 Jungviehweide mit Wirtschaftsgebäude. Blickrichtung Norden.

ca. 1940. Jungviehweide mit Wirtschaftsgebäude. Blickrichtung Norden.

Die Jungtiere (Rinder und Pferde) kamen teils von der „Gutswirtschaft der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim“, von Filderbauern sowie von Bauern umliegender Gemeinden und wurden weiterhin im Sommerbetrieb auf den Wiesen am Betzenberg gehalten. Die Bauern brachten ihr Jungvieh auf die Weide, um ihre guten Böden für Weizen zu nutzen. Die mageren Grenzertragsböden waren dem Rindvieh vorbehalten. So konnte man das Gras der eigenen Wiesen für den Winter als Heu gewinnen, ähnlich wie im Hochgebirge. Es bildete sich auf den Fildern ein regelrechter Almbetrieb heraus. Ein Verwalter betreute das Vieh auf der Sommerweide der Schönbuchanhöhe und bewohnte mit seiner „Sennerfamilie“ die an Stallung und Scheune angebaute einfache Wohnung.

ca.1940. Wirtschaftsgebäude Jungviehweide. v.l. Wohnung, Stallungen, Scheune

ca.1940. Wirtschaftsgebäude Jungviehweide. v.l. Wohnung, Stallungen, Scheune

Die ab 1935 nachgewiesenen Verwalter der JVW waren keine Waldenbucher mehr. So kamen Friedrich Katzmaier, geboren 1882 und seine Frau Margarete geb. Sigler (1880-1965) von der Alb (Hunderfingen, Lautertal) nach Waldenbuch. Zuvor führten sie bis 1930 das Gasthaus Jägerhaus in Waldenbuch, bevor sie 1935 die Bewirtschaftung der JVW übernahmen. Bis zum Ende des 2. Weltkriegs lebten sie dort zusammen mit ihrem Enkelsohn, Helmut Katzmaier, in dem an die Stallungen angrenzenden einfachen Wohngebäude. Helmut, der ohne Vater aufwuchs, ging jeden Tag zu Fuß hinunter nach Waldenbuch in die Schule im Städtle.

ca. 1941. Besucher auf der Jungviehweide v.l. Helmut Katzmaier, Friedrich und Margarete Katzmaier, Verwandte und Familie Hermann Bühler

ca. 1941. Besucher auf der Jungviehweide v.l. Helmut Katzmaier, Friedrich und Margarete Katzmaier, Verwandte und Familie Hermann Bühler

 

Nachmittags musste er in der Landwirtschaft mithelfen. Für die vielen Spaziergänger boten die Verwalter Erfrischungsgetränke Lammsowie Bier von der Waldenbucher Brauerei zum Lamm (Karl Müller) an.

Als in den letzten Kriegstagen 1945 die französische Armee mit marokkanische Soldaten nach Waldenbuch kam – was mit viel Schrecken und großem Leid verbunden war – versteckten sich auch andere Familienmitglieder der Familie Katzmaier auf der JVW.

Neben den Rindern wurden auch einige Pferde gehalten

Neben den Rindern wurden auch einige Pferde gehalten

Friedrich und Margarete Katzmaier bewirtschafteten bis 1945 die JVW und zogen anschließend nach Waldenbuch.

 

1945 bis 1967: Das Wirtschaftswunder und die Jungviehweide

Die Bewirtschaftung der JVW wurde zwischen 1945 und 1953 von weiteren Verwaltern (z.B. Herrn Schlotz) übernommen, die offenbar nicht aus Waldenbuch stammten. Weitere Einzelheiten sind zu dieser Zeitspanne leider nicht bekannt. 1953 übernahmen Verwandte der Familie Katzmaier den Betrieb, die als Heimatvertriebene hier ein neues Zuhause fanden.

ca. 1955. Gustav und Gertrude Bodammer auf der Jungviehweide

ca. 1955. Gertrud und Gustav Bodammer auf der Jungviehweide

Die Schwiegereltern von Helmut Katzmaier (Katzmaier Brennstoffe), Gustav Bodammer (1898-1982) und Gertrud Bodammer (1899-1995), Vertriebene aus Reinau, Kreis Kulm/Westpreußen, bewirtschafteten nun die JVW. Da Gustav Bodammer in der alten Heimat eine eigene Landwirtschaft betrieben hatte, war die Arbeit als Verwalter der JVW für ihn wie geschaffen.

 

ca. 1955. Gustav Bodammer beim Heu einfahren

ca. 1955. Gustav Bodammer beim Heu einfahren

 

 

In dieser Zeit waren ca. 50 junge Rinder (1-2 Jahre alt) zu versorgen. In folgenden Jahren kamen noch 7-8 Fohlen und 3-4 Milchkühe des Arbeitgebers dazu.

Die Milch wurde bis auf einen geringen Teil für den Eigenbedarf in der Glashütter Milchsammelstelle abgeliefert. Anfänglich musste die Milch von Gustav täglich zu Fuß dorthin getragen werden. Später stand laut Christel Bippus (Tochter des Ehepaars Bodammer) ein kleiner Traktor zur Verfügung, der den Transport deutlich erleichterte.

1959

ca. 1959. Familienidylle auf der Jungviehweide. Gertrud und Gustav Bodammer mit ihren Enkelkindern.

Als Verwalter musste Gustav Bodammer auch die Bücher zum Betrieb der JVW führen. So wurden die Tiere zu Beginn und Ende des Aufenthalts gewogen und mittels Protokoll die Gewichtsveränderung erfasst. Von Hohenheim kam regelmäßig ein Kontrolleur, um die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung zu überprüfen.

Mit Genehmigung des Arbeitgebers wurden auf dem Gelände für den Eigenbedarf ein kleiner Garten angelegt, kleinere Mengen Kartoffeln und Getreide angebaut sowie Schweine, Hühner und Gänse gehalten.

In dem einfachen Wohntrakt des Gebäudes lebte die Familie mit ihren drei jüngeren Kindern Gerda, Helga und Heinz.

Im Sommer gab es auch für die fünf erachsenen Kinder viel Arbeit im landwirtschaftlichen Betrieb. Auch die Enkelkinder mussten mittags von der Schule direkt zur JVW laufen, um dort mit zu helfen. Tochter Christel berichtet, dass die Familien mit ihren älteren Kindern viel mithalfen. Mit Kinderwagen bzw. Kind und Kegel besuchte man die JVW.

1955. Trotz der Schufterei beim Heumachen war die Familie zusammen glücklich.

1955. Trotz der Schufterei beim Heumachen war die Familie zusammen glücklich.

Vor allem musste viel Heu gemacht werden. Für die heranwachsenden Enkelkinder waren diese Jahre eine spannende Zeit, denn sie waren im Sommer fast täglich mit der Großfamilie zusammen. Christel Bippus hat ihren Vater, Gustav Bodammer, als einen intelligenten, zufriedenen Menschen in Erinnerung, der über ein großes Wissen verfügte. Gerne half er den Kindern z.B. bei den Hausaufgaben, insbesondere in Mathematik.

1959. Die Küche war damals fest in Frauenhand, die vier Töchter des Ehepaars (das fünfte Kind, Heinz Bodammer fehlt). von links nach rechts: Ruth Katzmaier, Helga Bodammer, (später Necker) Gerda Monninger und Christel Bippus

1959. Die Küche war damals fest in Frauenhand, die vier Töchter des Ehepaars von links nach rechts: Ruth Katzmaier, Helga Bodammer, (später Necker) Gerda Monninger und Christel Bippus.

 

Gustav und Gertrud Bodammer bewirtschafteten bis 1967 die JVW und bezogen vom Württembergischen Rinderzuchtverband/Hohenheim aus dieser Tätigkeit später eine Rente. Bis 1969 ging Gustav Bodammer noch einer Teilzeitbeschäftigung auf der JVW nach. Er fuhr im Tagebetrieb morgens mit dem Traktor hinüber und abends wieder zurück zu seiner Wohnung in Waldenbuch. Später wohnte er und seine Frau Gertrud bei seiner jüngsten Tochter Helga Necker auf dem Hasenhof (Waldenbuch).

In Folge der wirtschaftlichen Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg gingen z.B. die Filderbauern immer stärker anderen Erwerbstätigkeiten nach, so dass der Verwalter immer weniger Jungtiere zu versorgen hatte. Irgendwann lohnte sich der Almbetrieb wirtschaftlich nicht mehr und wurde schließlich 1967 völlig eingestellt.

1967 bis heute: Neue Nutzung für die Jungviehweide

Das Gebäude auf der JWV stand von 1967-1974 leer, während das Gelände bis 1973 vom Glashütter Schäfer Krieg gerne als Hüte-Wiese für seine Schafe genutzt wurde.

Im Februar 1968 erwarb die Stadt Waldenbuch unter BM Ludwig Blümlein die JVW vom Württembergischen Rinderzuchtverband die von ursprünglich 17,5 durch Zukäufe auf rd.21 ha vergrößerte Fläche zum Kaufpreis von DM 345.000. Die Stadt begründete den Kauf damals mit der Schaffung von Ersatzland für Landwirte sowie der Sicherstellung von Trinkwasserreserven.

Die Wohnungsbaugesellschaft Contracta aus Stuttgart war zwischenzeitlich auf das Grundstück aufmerksam geworden und wollte eine Kur-, Ferien- und Sportanlage mit 300 Ferieneinheiten errichten. Die Stadt hatte großes Interesse an dem Projekt, denn für die Fläche von rd. 21 ha hätte sie einen Kaufpreis von rund einer Mio DM erzielen können. Der daraufhin 1969 abgeschlossene Kaufvertrag stand unter dem Vorbehalt, dass dieser vor Inkrafttreten vom Landwirtschaftsamt Herrenberg, dem Gemeinderat sowie dem Landratsamt Böblingen genehmigt werden müsse. Die Zustimmung des Gemeinderats stellte keine nennenswerte Hürde dar. Doch von allen anderen Instanzen kamen abschlägige Bescheide. So lehnte lt. Forstamtsrat a.D. Reinhold Herrmann die Staatsforstverwaltung bei einem Ortstermin eine Bebauung rundweg ab, da es sich bei dem Gelände um ein Areal mitten im Landschaftsschutzgebiet Schönbuch handelt. Die Stadtverwaltung unter dem neuen BM Horst Störrle war verärgert über die Entscheidung, hatte sie doch mit den Einkünften aus dem Verkauf des Grundstücks schon gerechnet. Die von der Stadt eingelegten Rechtsmittel, führten jedoch letztlich nicht zum gewünschten Erfolg. Die Baugesellschaft Constructa erklärte 1971 schließlich den Rücktritt vom Vertrag.

Da eine Bebauung des Grundstücks nun endgültig untersagt war, verkaufte die Stadt Waldenbuch das Grundstück 1972 für DM 410.000 an die Staatsforstverwaltung des Landes Baden-Württemberg, welche bis heute noch Eigentümerin ist.

Am 6. März 1973 legten Unbekannte Feuer im Wohngebäudetrakt der JVW, der vollständig abbrannte. Der Polizeibericht gibt als Ursache Brandstiftung an. Lediglich die Brandmauer zwischen Wohngebäude und Stallungen verhinderte, dass sich das Feuer auch auf die Stallungen und die Scheune ausbreiten konnte.

6. März 1973. Brandstiftung auf der JVW

6. März 1973. Brandstiftung auf der JVW

Angesichts der Zerstörung und des großen Schadens stellte sich für die Forstverwaltung die Frage nach einer sinnvoller Nutzung für Areal und Gebäude. Zuvor musste das Gelände aber erst wieder hergerichtet werden, da es, um die Tiere entsprechend trennen zu können (z.B. Bullen von Kühen) in sehr viele einzelne, mit Stacheldraht umzäunte Koppeln aufgeteilt war. Es dauerte rund zwei Monate bis alle Zaunpfosten aus Eiche herausgerissen und der Stacheldraht entfernt waren.

Mit ihrer Grundsatzentscheidung im Jahr 1973, auf dem Gelände den ersten Waldjugend-zeltplatz für Baden-Württemberg zu schaffen, sicherte die Staatsforstverwaltung die Zukunft der JVW bis heute.

Nach umfangreichen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen entstand aus dem ehemaligen Stall und der Scheune ein ansprechendes Haus mit sanitären Einrichtungen und einem ca. 300 qm großen Aufenthaltsraum. Eine Frischwasserleitung wurde von der Bodensee-Wasserlinie, die auch Waldenbuch versorgt, in das Haus gelegt. Die Stadt Waldenbuch erweiterte im Zuge dieser Baumaßnahme die Frischwasserleitung auch in die Glashütte. Weiterhin wurde von der JVW zur Glashütte eine Abwasserleitung gezogen. Der Weg von der Glashütte bis zum Wald war wegen der Holzabfuhr ohnehin bereits befestigt. Der weiterführende Weg bis zur JVW bestand hingegen aus unbefestigter Erde. Dieser Weg wurde 1973/74 ausgebaut und der weiterführende Weg auf den Bezenberg zum Stern, einer Schneisen-Kreuzung im Wald, geplant und umgesetzt. Auf diese Weise hatte die Glashütte nun einen direkten Zugang zum Wald. Vorher war der Bezenberg mit dem Pkw nur über die Burkhardtsmühle oder den Braunacker zu erreichen.

Um das Gebäude auf der JVW vor Wassereinbrüchen zu schützen, wurde das gesamte abschüssige Gelände oberhalb drainiert. Für den Zeltplatz wurde das Terrain mit einer Schubraupe geebnet sowie ebenfalls drainiert und entwässert.

1974 weihte der damalige Baden-Württembergische Landwirtschaftsminister Dr. Brünner die JVW als ersten Waldjugendzeltplatz des Landes ein, der bis heute ein gern besuchter Ferienplatz für Jugendgruppen, Feierlichkeiten sowie nicht zuletzt Heimat der legendären Ponderosa-Freizeit ist.

 

EPISODEN

Kneipe auf der JVW

Nachdem das Gebäude von 1967 bis 1973 nicht mehr bewirtschaftet wurde, konnte jedermann das ungesicherte Haus betreten. Dazu Forstamtsrat Reinhold Herrmann (Förster Herrmann): „Das sind Schlösser, die kriegst du mit `nem Nagel auf. Das Gebäude stand ja nackt und bloß, da konnte jeder rein gehen über die Hintertür“.

1963. Heinz Lüll

1963. Heinz Lüll

Der Glashütter Heinz Lüll (Fuzzi), der im Bauhof beschäftigt war, und der Waldenbucher Willi Koch (Hoss) betrieben in dem Gebäude eine ganze Zeit lang tagsüber eine inoffizielle Kneipe. Heinz Lüll übernachtete sogar in den Räumlichkeiten. Strom war vorhanden, Wasser lieferte der Brunnen. Die Wirtschaft bestand sogar aus mehreren Räumen. Es gab keine Bedienung und meist ältere Gäste schwabenbraeugehörten zu den Besuchern.

Eine offizielle Konzession hätte man sicherlich auch nicht bekommen. Von der Stadt wurde die Kneipe mehr oder weniger geduldet. Es gab nur Schwabenbräu-Flaschenbier welches von Lammwirt Karl Müller geliefert wurde.

Es geht das Wort, dass der Bierumsatz in der JVW-Kneipe größer war als in der besten Wirtschaft Waldenbuchs. Walter Rebmann berichtet, dass gelegentlich sogar Hubschrauber der US-Army auf der JVW landeten und deren Besatzung dort Bier trank und vesperte: „Man hat sich gewundert, dass von überall her Leute gekommen sind. Man konnte dort trinken, so viel man wollte.

Ortspolizist Erich Kostorz

Ortspolizist Erich Kostorz

 

Der beliebte Waldenbucher Ortspolizist Erich Kostorz war der beste Kunde. Er kam immer mit seinem Motorrad, einer NSU-Max, hochgefahren.”

Die Speisekarte war kurz: Es gab ein Vesper bestehend aus Wurst, Gurke und Wecken. Die gerauchte Schinkenwurst dafür lieferte Metzger Walter Horrer. Weil die „Wirtsleute“ bisweilen Probleme hatten, die Zeche zusammen zu zählen, half eine Liste auf der z.B. stand 1 Bier 0,70, 2 Bier 1,40, drei Bier 2,10 usw. Dies rettete die Abrechnung zu später Stunde.

 

 

Hallenbadförderverein

Der von dem Waldenbucher Metzgermeister Paul Schott ins Leben gerufene Hallenbadförderverein veranstaltete 1971 ein Frühlingsfest mit „Ochs am Spieß“ auf der JVW, um Geld für den Bau des Hallenbads zu sammeln.

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Ochs am Spieß, am 1. Mai 1971. Die Mannschaft der Ochsenbraterei v.l. Wolfgang Raff, Walter Wagner (Kronenwirt), Kurt Hindermaier, Georg Uhlmann, Paul Schott (Metzger), Ernst Kern (Hasenhof), Fritz Glück, Karl Ruckh (Ochsendelle), Werner Simmendinger und der Ochse.

Kronenwirt Walter Wagner war der Spender des ersten Ochsen. Weitere drei Jahre wurde dieses Fest am 1. Mai gefeiert. Dabei entstand der bis heute gebräuchliche Name „Ponderosa“ in Anlehnung an die damals beliebte TV-Western Serie. Die Veranstaltung entwickelte sich schnell zu einem Event, der nicht nur von Waldenbuchern gerne besucht wurde.

In den Folgejahren veranstaltete die Fußballabteilung des TSV Waldenbuch am Vorabend des 1. Mai einen Tanzabend auf der Ponderosa sowie das „Ochs am Spieß“ Fest. Wegen der dabei entstandenen vielen Sachschäden erteilte die Forstverwaltung später keine Erlaubnis mehr. Der „Tanz in den Mai“ gehörte der Vergangenheit an.

Mai1971, 1. Ponderosa-Fest auf der Jungviehweide, veranstaltet durch den Hallenbadförderverein. Der vordere Teil des Gebäude brannte 1973 ab.

1. Mai 1971. Erstes Ponderosa-Fest auf der Jungviehweide, veranstaltet durch den Hallenbadförderverein. Der vordere Teil des Gebäude brannte 1973 ab.

 

Geburtstagsfeier Landwirtschaftsminister Weiser

„Landesforstpräsident Dr. Max Scheifele hat mich 1981 angerufen und gesagt: Herrmann, der Minister für Landwirtschaft und Forsten Gerhard Weiser will seinen 50. Geburtstag auf der JVW feiern.

Gerhard Weiser

Dr. h.c. Gerhard Weiser, Landwirtschaftsminister

Sie können machen was sie wollen, es muss warm sein und es muss grünen!“, erinnert sich Förster Herrmann, dem dieser Anruf damals manches Kopfzerbrechen bereitete. Es war Januar/Februar – die Natur lag in tiefstem Winterschlaf.

Also ließ Förster Reinhold Herrmann Birken hauen und sie bei Gärtner Walter Rebmann ins Gewächshaus stellen. „Von da an haben wir immer geschaut, ob die auch schon Blätter haben.”

Doch dies war längst nicht die einzige mit dem großen Ereignis verbundene Kuriosität: Einen Tag vor der Feier kam ein Auto zur JVW mit der Aufschrift „Flaschnerei XY“. Als zwei Flaschner im Smoking ausstiegen, wusste Förster Herrmann,das hier etwas faul ist:

2002 Forstamtsrat Reinhold Herrmann

2002. Forstamtsrat Reinhold Herrmann

„Da hab ich gesagt, Ihr seid auch keine Fläschner und sie antworteten, sie seien Personenschützer von der Kripo“. Es war die Zeit des Terrors der RAF und die Angst vor der Bader-Meinhof-Gruppe reichte, die bis auf die JVW reichte. Zur Sicherung der Feier wurde eine Hundertschaft Polizisten mit Hunden abgestellt, diese standen oben im Wald. Der Ortsbüttel POK Lorenz Hümmer war auch dabei. Förster Herrmann erinnert sich: „Da habe ich zu ihm gesagt: Lorenz, kriegst du nichts zum vespern? Ha nein, antwortet er“.

1974. POK Lorenz Hümmer

1974. POK Lorenz Hümmer

Da habe ich ihm eine Flasche Wein rausgebracht,- obwohl ein junger Kollege fand, ich könne das nicht machen – schließlich waren jede Menge Minister da, wie Mayer-Vorfelder, Frau Griesinger, s’Cleverle (Lothar Späth).“ Das Essen für die Veranstaltung kam extra von einem Hotel aus Heidelberg, der Heimat von Gerhard Weiser. Förster Herrmann erzählt: „Dann bin ich mit meinem jungen Forstmeister reingegangen, der aber fragte mich: ‚‘Dürfen wir da reingehen?‘ Da habe ich gesagt: ‚Die brauchen mich -wenn denen das Licht ausgeht, sitzen die da oben im Dunklen.“ Anschließend ging Herrmann zu dem Hotelier und sagte, „wir kriegen eine Flasche Wein und das gleiche Essen, wie die Herren auch. Ich bin der Chef hier und habe das alles vorbereitet“. Eine Szene wird Herrmann wohl nie vergessen: „Einer der Politiker musste mal. Da er aber nicht oben ins Klo gehen wollte, ist er raus ins Freie gegangen und hat sich an einen Baum gestellt – flankiert von zwei Sicherheitsbeamten.“ Da war der Förster glücklich und dachte, „oh bin ich doch ein freier Mann und kann noch allein pinkeln gehen!“

Den Honoratioren gefiel das rustikale Ambiente der Ponde – der Minister für Landwirtschaft und Forsten bedankte sich anschließend beim Landesforstpräsident für die tolle Organisation.

 

Skilift auf der Ponderosa

Ja , auch das gabs auf der JVW. In den 1980er Jahren betrieb der Ski Club Waldenbuch 1984 e.V. dort einen Skilift.

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Eine Oase im Grünen: Heute toben Kinder statt Rinder

2006. Uwe Stark

2006. Uwe Stark

Seit 1975 findet jedes Jahr in den Sommerferien mit Unterstützung einer ehrenamtlichen Bürgerinitiative unter Leitung von Uwe Stark eine große Tagesfreizeit für die Waldenbucher Kinder statt, die 2015 ihr 40jähriges Jubiläum feiert. Im Jahr 2009 haben insgesamt 270 Kinder an der „Ponde“ teilgenommen – das waren 50 Prozent (!) der Kinder Waldenbuchs. Ein Sommer auf der Ponde gehört in Waldenbuch mit zum Kinderleben.

 

 

Waldjugendzeltplatz „Jungviehweide

Die Homepage des Landratsamt Böblingen/Forsten beschreibt die aktuelle Nutzung und den Zustand der JVW im Jahr 2014 sehr schön. Die Texte und Bilder haben wir mit freundlicher Genehmigung von Landratsamt Böblingen – Forsten, mit wenigen Ergänzungen nachfolgend übernommen.

Seit der Eröffnung 1974 als erster Waldjugendzeltplatz des Landes haben mehr als 45 000 Jugendliche ihre Freizeit auf der JVW verbracht, darunter Schulklassen, Sportvereinsjugend, Pfadfinder, konfessionelle Gruppen, Jugendgruppen örtlicher und freier Vereine und das Sommerferienprogramm der Ponderosa-Freizeit Waldenbuch. Was vor 30 Jahren ein Geheimtipp war, muss heute frühzeitig gebucht werden.

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Zeltplatz

Der Waldjugendzeltplatz befindet sich auf einer großen Lichtung 2 km südöstlich von Waldenbuch. Der eigentliche Zeltplatz hat eine Größe von ca. 300 x 150 m und ist auf der Hauptfläche drainiert. Diese Fläche wird regelmäßig gemäht und kann zum Zeltaufbau und als Spielplatz genutzt werden. Es stehen zwei Grillstellen mit Sitzgelegenheiten zur Verfügung. Auf der Jungviehweide können Veranstaltungen mit bis zu 200 Personen durchgeführt werden.

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Hauptgebäude

Das zugehörige Hauptgebäude unterteilt sich in 220 qm Aufenthaltsraum mit offenem Kamin, Sitzgarnituren, einem Sanitärbereich und einer Küche. Das Hauptgebäude ist an das örtliche Wasserversorgungs- und Stromnetz angeschlossen.

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Zusammenfassung

Aus einem fortschrittlichen Konzept zur Tierhaltung hat sich über die Jahrhunderte ein Kleinod in unserer hektischen Zeit entwickelt. Möglich machte dies nicht zuletzt die Forstverwaltung, die den wunderschönen Platz oberhalb des Aichtals einer neuen, ihrerseits fortschrittlichen Nutzung zuführte. Seminargruppen, Schulklassen und allgemein Menschen, die etwas zu feiern haben, freuen sich gleichermaßen über diese Möglichkeit, mitten im Grünen besondere Momente zu erleben.

 

Wolfgang Härtel

Waldenbuch im Februar 2015

 

Medienberichte

Filder-Zeitung vom 8. April 2005

Stuttgarter Zeitung vom 9. April 2005

 

Anhang

Eigentums,- und Pachtverhältnisse der Jungviehweide
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Literatur- und andere Quellenhinweise

von Strebel, Ernst Valentin: Die Jungviehweide Waldenbuch, Plieningen 1899

von Strebel, Ernst Valentin: Die Jungviehweiden mit besonderer Berücksichtigung der Genossenschafts- und Vereinsweiden in Württemberg, Stuttgart 1908

Schwarz, Günther: Waldjugendzeltplatz Jungviehweide, Landkreis Böblingen, Forstrevier Waldenbuch, Aktenvermerk vom 04.08.2009

Waldenbucher Mitteilungen, Jahres-Sonderausgaben 1966, 1969-1972

Filder-Bote vom 13.03.1899, Erste Seite

Filder-Zeitung vom 06.10.1972, Blick über die Filder

Stadtarchiv Waldenbuch

Homepage des Landratsamt Böblingen/Forsten

Pressemeldung Filder-Zeitung vom 8. April 2015

 

 

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