Gasthof zur Post von Wilhelm Barth

um 1895. Älteste Postkarte vom Gasthof zum Adler (Post). Für größere Ansicht klicken!

Die bewegte Geschichte des Gebäudes

Der altehrwürdige Gasthof zum Adler (später umbenannt in “zur Post”) in Waldenbuch ist ursprünglich als Jagdgasthaus zum Waldenbucher Schloss gebaut worden, da beim Abhalten von großen Jagden die Gäste in den bestehenden kleineren Wirtschaften nicht alle untergebracht werden konnten, berichtet der Chronist Otto Springer. Der Bäcker Eberhard Klein war seit 1733 Adlerwirt. Nach seinem Tod 1754 übernahm den Gasthof sein Sohn Johann Michael Klein, der auch kaiserlicher Reichsposthalter war. Um 1825 war ein Kielmeyer Posthalter und Besitzer den Gasthofs.

Letztgenannter war berühmt, nicht bloß durch Küche und Keller, sondern auch durch seine noblen Manieren, schnurrigen Erzählungen und — seine großen Rechnungen. Die Familie Kielmeyer betrieb in dieser Zeit noch andere Waldenbucher Gaststätten. Ein Mitglied dieser Familie ließ die Post z. T. abbrechen und als dreistöckiges Gebäude 1797 wieder errichten, so wie man es im Prinzip heute kennt und unter Denkmalschutz steht. Siehe “Auf dem Graben 22” (Flst. Nr. 0-8/6). Am Gebäude zu erkennen sind die Initialen des Erbauers „EFK“ (Kielmeyer), die Ziffern des Baujahrs „1797“ sowie das Jahr der Restaurierung „1984“ und die Initialen des Bauherrn „HG“ (Hans Golze).

 

Schiller, Goethe, Uhland – alle waren zu Gast in der Post

Unzählige berühmte Gäste besuchten den Gasthof, der auf dem siebenstündigen Weg zu Fuß zwischen Stuttgart und Tübingen lag, beispielsweise 1793 Schiller und 1797 Goethe. Auch Erzherzog Karl, der bekannte österreichische Feldherr gegen Napoleon, machte am 11. September 1799 in der Post zu Waldenbuch Mittagspause, wo ihm zu Ehren eine lang in Erinnerung der Einwohner bleibende Regimentsmusik gespielt wurde. In damaliger fußgängerischer Zeit nahm auch ein Ludwig Uhland es nicht schwer, gute Freunde durch den Schönbuch halbwegs nach Stuttgart, also bis Waldenbuch, zu begleiten und dann nach einem Scheidetrunk wieder nach Tübingen umzukehren.

Um 1890. Königlich Württembergische Postkutsche in Waldenbuch vor dem Gasthof Post auf dem Postplatz.

Durch die Poststation herrschte Großbetrieb. Neben der Unterbringung und Verpflegung der Gäste standen auch ständig 30-40 Pferde zur Umspannung der Frachtfuhrwerke bereit. Vor dem Haus war zunächst eine große Miste für den Pferdemist. Der Herzog sorgte aber dafür, daß hinter dem Haus abgegraben wurde und so der Mist dorthin gebracht werden musste. Durch die Entscheidung der Postverwaltung 1845, die Posthalterei in Waldenbuch aufzugeben und stattdessen in Echterdingen und Dettenhausen einzurichten, war die große Zeit dieses Gasthofs vorbei. Waldenbuchs Verbindungen zur Welt wurden 1875 jedoch durch die Einrichtung eines Telegrafen- und Postamts deutlich verbessert.

Die Familie Barth kaufte bereits 1895 den Gasthof

Im Jahre 1895 kaufte der aus Maulbronn stammende Wilhelm Louis Barth den „Gasthof Adler“ und nannte ihn später in „Gasthof zur Post“ um. Gleichzeitig übernahm er die Postagentur im Gebäude.

1904. Frontansicht des Gasthof zur Post.

Aus dem Baugesuch ergeben sich die Aufteilungen der einzelnen Etagen/Räume

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Wilhelm heiratet ein Jahr später die aus Dettenhausen stammende Rosine Katharine (Käthe) Hirth. Beide bewirtschaften die Post gemeinsam. Ab 1928 wurde der Gasthof altershalber verpachtet. Danach führten diverse fremde Pächter das Anwesen, bis 1947. Wilhelms jüngster Sohn, Hugo Barth, betrieb die Post noch bis zu ihrer endgültigen Schließung am 30. April 1960 und verkaufte sie schließlich.

Sanierung und Umbenennung 1984: Aus dem Gasthof zur Post wird die „Alte Post“

Das Gebäude des ehemaligen “Gasthof zur Post”, Auf dem Graben 22, wurde 1984 von dem Steinenbronner Hans Golze grundlegend saniert und heißt nun “Alte Post”. Es  beherbergt 2019 im Erdgeschoß ein Bistro und einen Pub, sowie in den anderen Stockwerken Wohnungen und eine Arztpraxis. Ein kleines Denkmal in Form einer bronzenen Postkutsche vor dem Haus erinnert an die große Vergangenheit des Gasthofes.

 

Die Ära der Gastwirtsfamilie Wilhelm Barth

ca. 1920, Familie Wilhelm Barth v.l.n.r.: Erich, Helene, Käthe, Hedwig, Wilhelm, Hugo und Gertrud

Stammbaum: drei Generationen der Familie Barth

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Erinnerungen an die Post: Das Wirtshausehepaar Käthe und Wilhelm Barth berichten

Wilhelm und Käthe Barth

Auf Wunsch ihrer Enkeltochter, Erika Haid, verfaßt Käthe 1940 im Alter von 74 Jahren ihren Lebenslauf, sowie den Lebenslauf ihres Mannes Wilhelm Barth. Beide werden in Auszügen hier wiedergegeben:

Käthes Leben: Es war ein Traum

Käthe wurde am 22. Januar 1867 in Dettenhausen geboren, als jüngstes Kind der Eltern Karl und Elisabeth Hirth, die bereits in Käthes Kindheit verstarben. Bei einer Stuttgarter Pfarrersfamilie fand sie eine zweite Heimat. Mit dieser Familie verbrachte sie mehrere Jahre in Südafrika. Eine Krankheit zwang sie, wieder heimzukehren. Als hart, aber segensreich empfand sie die Pflege einer alleinstehenden schwerkranken Frau bis zu deren Tode in Konstanz. Danach verheiratete sie sich 1896 im Alter von 29 Jahren mit Wilhelm Barth, der im Jahr zuvor den Gasthof zur Post in Waldenbuch gekauft hatte.

Die Arbeit als Wirtin war ein sehr arbeitsreiches Feld: Man servierte Mittagessen für Beamte, Angestellte, Geschäftsreisende und Kutscher mit ihren Pferdegespannen.

ca. 1918. Hier wurde gefeiert. Wilhelm Barth mit Gitarre und seine Gäste. Herr und Frau Hage, Apotheker Rudolf Uhland (unter Spiegel) mit Tochter, Küfer Bauer mit Frau (links).

Verschiedene Studentenverbindungen von Tübingen und Hohenheim sowie viele Stuttgarter machten ihre Sonntagsausflüge nach Waldenbuch und kehrten in der Post ein.

Aus gesundheitlichen Gründen musste der Gasthof 1928 verpachtet werden. Durch den Bau der Umgehungsstraße 1935 lief der Verkehr auch nicht mehr durchs Städtle an der Post vorbei. Die Folge war ein Rückgang des Geschäfts und die Schwierigkeit unter diesen schlechten Bedingungen einen Pächter zu finden. Deshalb versuchte Käthe die Post zu verkaufen. Sie fand aber keinen Interessenten.

Käthe Barth am Grab ihres Mannes Wilhelm Barth

Zwei ihrer sechs Kinder sind vorzeitig verstorben. Obwohl Käthe im Alter vereinsamt in ihrer Wohnung lebte, war es ihr im Leben nie langweilig. Rückblickend auf drei Generationen sagte sie: „Es war ein Traum!“ So zehrte sie im Alter gern von ihrer Afrikareise und den vielen Menschen aller Nationen, die sie kennengelernt hatte. Sie schrieb allen jungen Leuten und besonders ihren lieben Enkelkindern folgenden Vers ins Gedächtnis:

“Selig wer die Rosenjahre seiner Jugend so genießt, daß ihm noch im Silberhaare, die Erinnerung lieblich ist.”

Käthe verstarb 1946 im Alter von 79 Jahren.

 

Wilhelms Leben: Um nicht mit dem König verwechselt zu werden, nannte man in “Louis”

Prinzessin Katharina v. Württemberg

Wilhelm Barth wurde am 1. Juni 1860 in Maulbronn geboren, als Sohn von Karl Barth und Sophie Holl. Er hatte noch einen Bruder und vier Schwestern. Sein Vater war Wagnermeister und Spitalverwalter in Maulbronn. Wilhelm erlernte das Schmiedehandwerk, das er bis zu seiner Militärzeit ausübte. Von 1881-1884 diente er im 2ten Württb. Dragonerregiment Nr. 26 in Ulm.

“Louis” Barth als Kutscher der Königin

Als großer Pferdefreund kam er nach seiner Militärzeit durch Empfehlungen an den Königl. Württb. Hof als Kutscher u. Diener zu Ihrer Kgl. Hoheit der Prinzessin Katharina v. Württemberg (Mutter des König Wilhelm II von Württemberg). Um Namensverwechslungen mit dem König zu vermeiden, wurde er auf Wunsch der Königin “Louis” genannt. Jeden Sommer verlebte er im königlichem Umfeld ein paar Monate in deren Villa in Seefeld/Schweiz.

Wilhelm Barths Dienstherr: König Wilhelm II (1848-1921)

 

Um sich selbstständig zu machen, kaufte Wilhelm Barth in seinem 35. Lebensjahr den Gasthof in Waldenbuch. Als Gastwirt war er sehr beliebt und geachtet. Er unterhielt seine Gäste gern musikalisch durch seinen Gesang, außerdem spielte er Zitter, Gitarre und Mundharmonika. Die Post war damals das erste Haus am Platze.

Die Königsfamilie war ihrem früheren Diener sehr treu: sie besuchten ihn häufig bei ihren Durchfahrten in Waldenbuch. Selbst nach der Revolution 1918, der Abdankung und Umsiedlung nach Bebenhausen, besuchte der ehemalige König Wilhelm II noch in seinen letzten Jahren gerne die Barths in Waldenbuch.

Wilhelm Barth verstarb 1931 im Alter von 71 Jahren.

Auszug aus dem Gästebuch des Gasthof zur Post (1917 – 1934)

Gästebuch-Ausschnitt. Für größere Ansicht klicken.

Der erste Eintrag im Kriegsjahr 1917 in Gedichtform stammt von dem Gast Wilhelm Förstner anläßlich seines Erholungsurlaubs. Der letzte Gasteintrag datiert im Jahr 1934. Danach kommt ein undatierter Eintrag von Käthe selbst, der um 1938 erfolgt sein muß. Käthe hat wohl 10 Jahre nach ihrem Rückzug in den Ruhestand das Gästebuch in die Hand bekommen und in Erinnerungen geschwelgt. Sie bedauert, daß es versäumt wurde “schon in der Blütezeit unseres Geschäfts ein solches Gästebuch anzulegen”. Sie meinte sicher die Zeit vom Kauf der Post 1895 bis zu Beginn des 1. Weltkriegs 1914.

 

Wie es nach dem Krieg weiterging: Vom Kino bis zum Verkauf 1960

1956. Anzeige in einer Festschrift.

Käthes Sohn, Hugo Barth, kam 1946 aus der Gefangenschaft zurück und übernahm 1947 den Gasthof zur Post.  1953 gab es in Waldenbuch das erste stationäre Kino (Post-Lichtspiele) im ziemlich behelfsmäßigen und beengten Gasthof-Saal.

1947. Hugo Barth

Davor betrieb Hugo Barth bereits ein Wanderkino mit Aufführungen in Neckartailfingen, Holzgerlingen und Weil i. Schönbuch.

Nach Einstellung des Spielbetriebs in der Post pachtete Hugo Barth bis 1960 die neuerbauten Post-Lichtspiele (später Gloria-Lichtspiele). Schließlich verkaufte Hugo Barth den Gasthof Post 1960 an einen Käufer aus Steinenbronn (Golze).

 

Wolfgang Härtel
im Juli 2019

Fotos: Sammlung W. Härtel
Grafiken: Wolfgang Härtel

Danksagung

Für das ehrenamtliche Redigieren meines Berichtes bedanke ich mich herzlich bei der Texterin Jeanette Ottmar.

 

Bildergalerie “Gasthof zur Post”

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