Geschichte der Holzsäge von Paul und Kurt Binder

Paul Binder (1906-1989)

Paul Binder

Paul auf seiner Säge

Paul Binder war gelernter Huf-und Wagenschmied. Bevor er eine Stelle bei Daimler in Sindelfingen fand, mußte er in den Krieg, an den Westwall. Gerne, sagt er, hätte er im Pferdelazarett Dienst getan, doch reklamierte sein damaliger Arbeitgeber, so daß er vom Kriegsdienst freigestellt wurde. 1968 ging Paul Binder in Rente, nicht ohne allerdings gleich wieder eine neue Arbeit anzunehmen, als Aufseher der Erddeponie Waldenbuch/Steinenbronn.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkriegs war Holz die erste Wahl für Heizzwecke. Entweder besass man ein kleines Stück Wald oder kaufte Brennholz vom Förster. Das Holz musste aber noch in handliche Scheite gesägt werden. Wer besaß in den 1950/60er Jahren schon seine eigene Holzsäge? Diese Arbeit wurde damals von fahrbaren Bandsägen gemacht.

Links die Scheuer in der die Holzsäge stand.

Paul Binder wohnte mit seiner Frau Berta (1903-1989) in der Marktstrasse, wo auch in der Scheune nebenan die Säge ihren Platz fand. Paul war im Flecken mit seiner fahrbaren Bandsäge gern gesehen. Diese Säge übernahm er von einem Holzhändler aus Steinenbronn, da Pauls alte Säge zu unhandlich geworden war. Die neue Säge war aus Teilen eines US-Amerikanischen Jeep’s sowie diversen anderen Fahrzeugteilen gebastelt. Und parallel zu seiner Arbeit auf der Erddeponie war er mit der Holzsägemaschine zusammen mit seinem Sohn Kurt unterwegs.

Kurt Binder (1930-2013)

1988. Kurt Binder

Auf dem Weg zum Kunden

Er übernahm von seinem Vater die Holzsäge und setzte so die Tradition fort. Die Verbundenheit zu Holz und Wald lag bei dem passionierten Jäger in der Familie. In einem Interview 1989 sagte er:”I bin schon mit 15 in den Wald gange, mei Urgroßvater war Feldschütz, mein Mutter zeitweise Waldarbeiterin, des isch halt einfach in mir dren!” Das Geschäft stagnierte, als Öl-Zentral- oder Elektroheizungen auf den Markt kamen. Kurt Binder:”Früher hend d’Kunde scho gwartet, bis ich von der Arbeit gekommen bin, des isch heut natürlich nicht mehr so.”

Gemeinsam geht es schneller!

1999. Abschied. Klar zum nach Transport nach Hohenheim

Von den ehemaligen Waldenbucher Holzsägern arbeitete 1989 nur noch Kurt Binder regelmäßig. Nach 1999 wurde von drei Waldenbuchern (Armin Rothweiler, Rudi Fritz und Klaus Treicheldt) das Holzsägen nur noch gelegentlich ausgeführt. Das Geschäft war auch nicht ungefährlich. “Daß man sich in’d Finger schneidet isch immer drin, und ich hab noch Glück gehabt!”. Im Sommer 1992 hatte er auf dem Marktplatz seinen ersten schweren Unfall, als sich die Bandsäge löste und sein Fuß verletzte. Kurt Binder betrieb die Säge bis  Juni 1999. Es gab keinen Nachfolger. Die Säge hatte nur noch historischen Wert und wurde dann ins Museum nach Hohenheim gebracht wurde.

Hohenheim

Anläßlich eines Besuchs 2017 im Deutschen Landwirtschaftsmuseum (DLM) Universität Hohenheim, habe ich die Bindersche Holzsäge besichtigt. Sie ist zwar nicht Bestandteil der Exponate des Museums, doch wird sie liebevoll von dem Techniker des Museums, Rudi Leitenberger, gehegt und gepflegt.

2017. Rudi Leitenberger

Er beschreibt die Säge wie folgt: “Es handelt sich um eine selbstfahrende Arbeitsmaschine. Sie wurde nach dem 2. WK in Eigenbau vermutlich von einem Schmied oder Schlosser gebaut. Fahrwerk und Fahrgestell sind von einem Amerikanischen Jeep, das Getriebe stammt vom Opel P4. Angetrieben von einem Diesel Verdampfer Motor MAH 914 von Deutz mit 10 PS und 1580 Umdrehungen. Unser alter Chef, Dr. Klaus Herrmann hat die Säge im September 1999 abgeholt. Sie stand in der Werkstatt des Museums lange herum. Ich habe mich entschlossen sie zu restaurieren und wieder gangbar zu machen. Das Getriebe war kaputt. Man konnte über das Internet ein entsprechendes Teil in Leipzig beschaffen. Ich habe es eingebaut. Die Kardanwelle habe ich überholt, da die Lager ausgeschlagen waren. Dann wurde die Lackierung erneuert. Auf die Räder der Bandsäge wurden neue Gummis aufgebracht (vulkanisiert). Vermutlich stammen die Antriebsräder der Bandsäge von einer alten Säge. Die Räder des Fahrwerks wurden ausgetauscht, da es die alten Jeep Reifen nicht mehr gab. Sie wurden durch AS Schlepper Reifen mit Ackerprofil ersetzt. Es gab keine Probleme bei der Restaurierung bis auf wenige Roststellen, und an einigen Stellen. Das Dach wurde ausgebeult. Die restaurierte Säge ist absolut funktionstüchtig. Man kann Sägen, Sägeblatt ist montiert, der Motor läuft problemlos und startet sofort.” Ich konnte mich vor Ort davon überzeugen, wie das von mir gemachte Video (siehe unten) eindrucksvoll beweist.

Bildergalerie der restaurierten Holzsäge:

Bitte auf ein Bild klicken, um die Fotos in voller Grösse zu sehen!

Video von der Holzsäge im Betrieb

Uli Binder-Straub, Tochter von Kurt Binder erzählt über ihren Großvater und Vater

Paul war ein bekennendes Mitglied der Kommunistischen Partei. Es gab konspirative Treffen in den 1930er Jahren und auch während des 2. Weltkriegs. Es trafen sich u.a. Karl Schaffner und andere Genossen zu Hause. Pauls Sohn Kurt, damals Schüler, hatte dadurch Konflikte mit seinem Lehrer. Er durfte z.B. den Deutschen Gruß nicht ausführen, was wiederum der Lehrer von Ihm erwartete.

Paul wurde eines Tages zugetragen, dass er von der Gestapo wegen seiner kommunistischen Gesinnung gesucht würde. Daraufhin flüchtete er mit seinem Fahrrad in den Schwarzwald, wo er sich bei Verwandten versteckte. Er wurde nicht verhaftet. Stattdessen hatte man seinen auch in Waldenbuch lebenden Bruder Karl Binder, von Beruf Buchdrucker, versehentlich verhaftet und ins KZ nach Spaichingen gebracht. Nach mehreren Wochen kam er wieder nach Hause, wurde aber sofort eingezogen und fiel an der Front.

Die Buchdruckerei Binder befand sich im Neuer Weg (ehem. Haus Metzgerei Rehm). Dort wurde auch das Gemeindeblatt gedruckt. Die Buchdruckerei war ein offenes Haus und Treffpunkt für Jedermann.

Der Futtermittelhersteller und NS Ortsgruppenführer Gottlob Nafzer wollte, dass Kurt Binder in den 1950er Jahren sein Holz sägt, was Kurt mit dem Satz kommentierte „säg dein Holz von Hand!“ Hintergrund waren Denunziationen währen der NS-Zeit, die zu Verhaftungen mehrerer Waldenbucher geführt hat und viel Leid in die Familien gebracht hatte.

 

Benutzte Quellen

Mit über 80 noch allein die Hausarbeit: (mo) in Böblinger Kreiszeitung 27.07.1988

Holzsäger in Waldenbuch: in Unser Schönbuch, Feb./März 1989


Fotos

Foto Ceska, Günter Alberth, Wolfgang Härtel und eigene Sammlung historischer Fotos..

Danke an Uwe Müller und Rudi Leitenberger vom DLM für die hilfreiche Unterstützung.

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